Das Leben, das ich selbst gewählt

Ehe ich in dieses Erdenleben kam,

ward mir gezeigt wie ich es leben würde.

Da war die Kümmernis, da war der Gram,

Da war das Elend und die Leidensbürde.

Da war das Laster, das mich packen sollte,

Da war der Irrtum, der gefangen nahm.

Da war der schnelle Zorn, in dem ich grollte,

Da waren Hass und Hochmut, Stolz und Scham.

Doch da waren auch die Freuden jener Tage,

Die voller Licht und schöner Träume sind,

Wo Plage nicht mehr ist und nicht mehr Klage,

Und überall der Quell der Gaben rinnt.

Wo Liebe dem, der noch im Erdenkleid gebunden,

Die Seligkeit des Losgelösten schenkt,

Wo sich der Mensch der Menschenpein entwunden

Als Auserwählter hoher Geister denkt.

Mir ward gezeigt das Schlechte und das Gute,

Mir ward gezeigt die Fülle meiner Mängel.

Mir ward gezeigt die Wunde draus ich blute,

Mir ward gezeigt die Helfertat der Engel.

Und als ich so mein künftig Leben schaute,

Da hört ein Wesen ich die Frage tun,

Ob ich dies zu leben mich getraute,

Denn der Entscheidung Stunde schlüge nun.

Und ich ermaß noch einmal alles Schlimme

-,,Dies ist das Leben, das ich leben will“-

Gab ich zur Antwort mit entschloßner Stimme.

So wars als ich ins neue Leben trat

Und nahm auf mich mein neues Schicksal still.

So ward ich geboren in diese Welt

Ich klage nicht, wenns oft mir nicht gefällt,

Denn ungeboren hab ich es bejaht

(Hermann Hesse)

Gedicht von Charlie Chaplin zu seinem 70. Geburtstag

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann, habe ich verstanden, dass ich immer und bei jeder Gelegenheit zur richtigen Zeit am richtigen Ort bin und dass alles, was geschah, richtig ist. Von da an konnte ich ruhig sein. Heute weiß ich, das nennt sich Vertrauen!

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann, habe ich verstanden, wie sehr es jemanden beschämt, ihm meine Wünsche aufzuzwingen, obwohl ich wusste, dass weder die Zeit reif noch der Mensch dazu bereit war und auch wenn ich selbst dieser Mensch war. Heute weiß ich, das nennt sich Selbstachtung!

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann, konnte ich erkennen, dass emotionaler Schmerz und Leid nur Warnungen für mich sind, gegen meine eigene Wahrheit zu leben. Heute weiß ich, dass nennt man Authentizität!

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann, habe ich aufgehört, mich nach einem anderen Leben zu sehnen und konnte sehen, dass alles um mich herum eine Aufforderung zum Wachsen war. Heute weiß ich, das nennt man Reife!

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann, habe ich aufgehört mich meiner freien Zeit zu berauben und ich habe aufgehört, weiter grandiose Projekte für die Zukunft zu entwickeln. Heute mache ich nur, was mir Spaß und Freude bereitet, was ich liebe und was mein Herz zum Lachen bringt, auf meine eigene Art und Weise und in meinem Tempo. Heute weiß ich, das nennt man Ehrlichkeit!

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann, habe ich mich von allem befreit, was nicht gesund für mich war, von Speisen, Menschen, Dingen, Situationen und von allem, das mich immer wieder herunterzog, weg von mir selbst. Anfangs nannte ich das gesunden Egoismus, aber heute weiß ich, das ist Selbstliebe!

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann, hörte ich auf, immer recht haben zu wolle, so habe ich mich weniger geirrt. Heute habe ich erkannt, das nennt man Einfach-Sein!

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann, habe ich mich geweigert, immer weiter in der Vergangenheit zu leben und mich um meine Zukunft zu sorgen. Jetzt lebe ich nur mehr in diesem Augenblick, wo alles stattfindet. So lebe ich jeden Tag und nenne es Vollkommenheit!

Als ich mich wirklich selbst zu lieben begann, da erkannte ich, dass mich mein Denken armselig und krank machen kann. Als ich jedoch meine Herzenskräfte anforderte, bekam mein Verstand einen wichtigen Partner, diese Verbindung nenne ich Herzensweisheit!

Wir brauchen uns nicht weiter vor Auseinandersetzungen, Konflikten und Problemen mit uns selbst und anderen zu fürchten, denn sogar Sterne knallen manchmal aufeinander und es entstehen neue Welten. Heute weiß ich, das ist das Leben!

Die Macht der eigenen Ressourcen erkennen

Wie ich schon in meinem Artikel über Achtsamkeit (schau einmal hier) geschrieben habe, entstehen Angst und Furcht oft durch ein unhinterfragtes, unbewusstes Bild der Zukunft und haben in der Regel nichts mit der Gegenwart zu tun. Schrittweises Einüben von Achtsamkeit erhöht unsere Fähigkeit, immer öfter im Hier und Jetzt zu verweilen und uns aus unserem Kopfkino zurück in die Gegenwart zu holen.

Wichtige Hilfsmittel, um uns immer wieder mit dem Hier und Jetzt zu verbinden (sozusagen Brücken zum Hier und Jetzt zu schlagen), ist nicht nur das Erlernen von Achtsamkeit, sondern auch die eigenen Ressourcen (oder auch Kraft- oder Energiequellen) zu erkennen und zu fördern. Ressourcen sind innere und äußere Anker, die ein gefühltes Erleben von Regulation, Sicherheit oder auch Wohltat ermöglichen. Schöne Gegenstände als äußere Anker im Raum zur Verbindung mit dem Hier und Jetzt (welche Gefühle lösen diese Gegenstände in deinem Körper aus?):

Sich der eigenen Ressourcen bewusst zu werden und diese regelmäßig zu nutzen, kann eine enorme Kratftquelle für das Bewahren eines Gefühls von wahrer Selbst-Verbundenheit, Integrität und Präsenz sein, was uns letztlich hilft, in der Gegenwart zu verbleiben.

Welche Ressourcen gibt es?

Grundsätzlich lassen sich 3 verschiedene Arten von Ressourcen unterscheiden

  • innere (interne)
  • äußere (externe)
  • und Ressourcen, welche die Beziehung betreffen (relationale)

Selbstregulation und Regeneration durch Energiequellen

Das Erforschen und Sammeln deiner Ressourcen ist sehr lohnenswert, denn unsere ganz persönlichen Energiequellen zu kennen, hilft uns in gestressten, dysregulierten Zuständen, unser Nervensystem wieder ins Hier und Jetzt zu bringen, den Parasympathikus zu aktivieren und so zur Regeneration beizutragen. Dadurch erhöht sich unsere Lebensqualität enorm, psychische und physische Gesundheit werden gestärkt. Überlege nun einmal welche Ressourcen du in deinem Leben ausfindig machen kannst und sammle sie (zum Beispiel in einer schönen Box – s. Foto).

Äußere Ressourcen können sein:

Orte (bei mir ist das zum Beispiel das Meer und Lübeck, die Stadt in der ich lebe und die ich aufgrund ihrer Schönheit sehr schätze), Tätigkeiten/Hobbies (vielleicht bist du ja völlig präsent wenn du häkelst? ;-)), finanzielle Mittel, eine Arbeit, die Freude macht (ich finde zum Beispiel meinen Beruf als Ärztin sehr sinnstiftend, wenn ich auch von unserem Gesundheitssystem nichts halte), Musik, sinnliche Genüsse, die Natur im allgemeinen (der Aufenthalt in der Natur hat meistens einen regulierenden Effekt auf unser Nervensystem),…

Alles, was in uns selbst als Kraftquelle existiert, bezeichnet man als innere Ressource. Dazu gehören:

Ideen, Neigungen, Fähigkeiten (ich habe zum Beispiel eine blühende Phantasie und eine gute Vorstellungskraft), Visionen und Ziele (eines meiner Ziele ist es nach meinen Werten zu leben – auch hier lohnt es sich Gedanken zu machen – was sind deine Werte, wo orientierst du dich nur am Außen und passt dich an), Eigenschaften, erfolgreiche Strategien, alle positiven Erinnerungen, Erfahrungen (z.B. das sich Vergegenwärtigen aller bereits gemeisterter Hürden), innere Haltung (auch hier spielen Werte meines Erachtens eine große Rolle), angenehme Körperempfindungen (sog. Körperressourcen – z.B. sich mit etwas Duftendem eincremen), die eigenen Talente und Stärken,…

Ganz wichtig sind natürlich auch relationale Ressourcen – also Ressourcen, die durch die vertrauensvolle Verbindung zu anderen Wesen bestehen. Irgendein spiritueller Lehrer sagte einmal: ,,Willst du weise werden, kümmere dich um andere.“ Denn der Kontakt zu anderen Menschen lässt uns wahrnehmen, dass unsere Existenz im Leben eines Anderen einen wohltuenden Unterschied macht und dass wir nicht alleine sind. Welche relationalen Ressourcen gibt es in deinem Leben? Familie, Partner, Freunde, Tiere, ein guter Coach oder Therapeut?

Basteln mit der Familie (ventral-vagale Aktivierung bzw. Mischung aus relationaler und äußerer Ressource)

Die eigenen Energiequellen zu kennen und zu pflegen ist wichtig, insbesondere für Menschen mit Traumafolgen (aber natürlich auch für alle anderen), denn hier hängt das Gehirn mit dem Erleben und Empfinden häufig in der Vergangenheit, wir empfinden die Gegenwart als unsicher, da unser Nervensystem dauerhaft nach Gefahren Ausschau hält, um uns zu schützen.

Kraftquellen bauen also zusammenfassend Brücken zu Zuversicht, Motivation, Kreativität, Lebensfreude, Verbundenheit und Lebendigkeit.

,,Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie.“(Friedrich Nietzsche)

Ressourcen in der traumasensiblen Prozessbegleitung

Auch in der traumasensiblen Prozessbegleitung (traumasensibles Coaching) sind Ressourcen unverzichtbar, denn sie ermöglichen das Hin- und Herpendeln zwischen den traumaassoziierten (mit Hochstress) verknüpften Körperempfindungen/ Bildern und der regulierend wirkenden Ressource. So kannst du Schritt für Schritt durch das Pendeln mehr Selbstregulation erlernen (insbesondere in getriggerten Situationen) und dadurch entstehen wieder neue Ressourcen und immer mehr Lebensqualität.

,,Das Vermögen unsere Aufmerksamkeit zu lenken, birgt die Kraft in sich, die Struktur unsere Gehirns umzuformen.“ (Daniel Siegel in Mindsight)

Verkörperung von Ressourcen

Ressourcen helfen nur dann, wenn sie nicht nur als Idee in deinem Kopf vorhanden sind, sondern wenn sie aktiv in deinem Körper spürbar werden – das kann man üben und bedeutet, dass das Pendeln in die Entspannung durch die gewählte Ressource auch zu fühlen ist und dadurch nach und nach wieder mehr Regulation im Nervensystem/Körper entsteht. Wo spürst du die Ressource in deinem Körper? Wie würde es sich anfühlen, wenn du das spüren könntest? Manche Menschen tragen vielleicht gerade so viel Last oder stehen vor so großen Herausforderungen, dass sie gar keine Ressourcen wahrnehmen können – da hilft die Schulung eines ressourcenorientierten Blickes – alleine die Fähigkeit, sich selbst versorgen zu können, ist eine enorme Ressource…

Dein Ressourcicum

Um dir deiner Ressourcen immer bewusster zu werden, kannst du ein sogenanntes Ressourcicum anlegen. Suche dir ein schönes Behältnis (s. Foto ganz oben) und fülle es nach und nach mit immer mehr Dingen, die dir gut tun – z.B. deine Lieblingsschokolade, dein Lieblingstee, Seifenblasen, schöne Meditationen, Erinnerungsfotos, Zettel, auf denen du weitere Ressourcen (z.B. schöne Erinnerungen oder innere Ressourcen) notierst, schöne Gedichte, aufbauende Worte – dies alles sind gleichzeitig auch Aufforderungen, dich an deinen unversehrten Wesenskern zu erinnern… Mit der Zeit entsteht so ein wunderbarer Fundus an Hilfsmitteln. Und stelle dir immer wieder die Frage: Wo im Körper kannst du die Ressource spüren? Wenn Sie eine Farbe hätte, welche wäre das?

Nun kannst du üben – welcher deiner Ressourcen kannst du dich heute noch widmen – wo spürst du das Wohltuende dieser Ressource im Körper oder wie fühlst du die Entspannung?

Viel Spaß beim Üben….

Einführung in die Polyvagal-Theorie

Die Landkarte deines Nervensystems – eine Einführung in die Polyvagal-Theorie

Es ist wichtig, dass wir auch in schwierigen, holprigen Zeiten unseres Lebens unsere Eigenverantwortung nie ganz an professionelle Helfer oder sogenannte Experten abgeben. Dies hat wohl die Corona-Krise sehr deutlich gezeigt. Trotzdem kann es unter Umständen doch hilfreich sein, sich eine Zeit lang kompetent und feinfühlig begleiten zu lassen.

Gerade wenn wir sehr belastende oder gar traumatisierende Lebensereignisse integrieren müssen, vor großen Herausforderungen stehen (z.B. der nahende Verlust eines nahestehenden Angehörigen) und unsere individuellen Kompensationsmöglichkeiten durch langanhaltende Überforderung aufgebraucht sind, ist es sogar ein Zeichen von innerer Stärke, sich Unterstützung zu suchen, um neue Tools zu erlernen und so zurück zu einem Gefühl der Selbstwirksamkeit und dadurch zur Selbstbestimmung zu gelangen.

,,Verbundenheit ist der Schlüssel zur Heilung von Trauma. Schaffe Räume der Verbundenheit, übe dich in Verbundenheit, und du entwickelst eine heilsame Präsenz.“ (Verena König)

Nicht ausreichend integriertes Traumamaterial bzw. traumatische Lebensereignisse schlagen sich häufig in unserem Nervensystem nieder und können dort (auch nach Jahren) nicht nur zu psychischen, sondern auch zu körperlichen Symptomen führen, denn körperliche Symptome sind häufig an Traumaenergie geknüpft. Unspezifische körperliche Beschwerden, denen keine nachweisbare strukturelle Veränderung zugrunde liegt, können unbewusste Erinnerungen des Körpers an traumatische Ereignisse sein, denn unser Körper hat ein Gedächtnis, in dem die Erfahrungen unseres Lebens gespeichert werden. Unser Körper wird also sozusagen im Laufe unseres Lebens ,,beschrieben“. Körperorientierte Interventionen, die dir helfen, in akuten, dysbalancierten Zuständen zurück in Balance zu finden, sind also innerhalb ganzheitlich-integrativer Traumaarbeit essenziell.

Bei der Wahl deines Begleiters könntest du zum Beispiel darauf achten, ob er/sie die Polyvagal-Theorie zumindest ansatzweise kennt.

Sehr vereinfacht zusammengefasst besagt die Polyvagal-Theorie, dass es der Zustand deines Körpers ist, der darüber entscheidet, wie du die Welt psychisch und emotional wahrnimmst.

Bei aller Theorie, die ich dir im Folgenden auch noch etwas näherbringen möchte, ist jedoch am Ende das Wichtigste, und das solltest du unbedingt beachten, dass dir der dich begleitende Mensch erstmal grundlegend sympathisch ist – sonst hilft auch das größte Fachwissen nichts…Denn die Bindungstheorie zeigt in Zusammenhang mit der Neurobiologie, dass die Beziehung zwischen Klient und Begleiter/in für heilsame Prozesse das grundlegend Wichtigste ist. Beziehung meint im optimalen Fall das Gefühl von Verbindung/Verbundenheit. Eine Liste mit potenziellen Begleitern, die in Neurosystemischer Integration nach Verena König ausgebildet sind, findest du hier:

In dieser Methode lasse ich mich selbst gerade weiterbilden und bin sehr begeistert, da hier ganzheitlich-integrativ gedacht wird und die neuesten Erkenntnisse aus der Neurobiologie, der systemischen Therapie, der Ego-State-Therapie (oder auch Anteile-Arbeit), der Hypnosystemik (Arbeit auf imaginativer Ebene), der Psychotraumatologie sowie der bindungs- und körperorientierten Psychotherapie vermittelt werden. Auch die Polyvagal-Theorie des amerikanischen Professors für Psychiatrie Stephen W. Porges spielt hier eine tragende Rolle.

Ich finde es gerade vor dem Hintergrund der globalen und gesellschaftlichen Geschehnisse in den letzten 3 Jahren (und natürlich auch vor einem persönlichen Hintergrund) sehr interessant, mich generell mit Trauma und vor allem auch mit Entwicklungs- und Bindungstrauma zu beschäftigen und mir in diesem Bereich Wissen anzueignen.

Denn wie sagte Mahatma Gandhi schon so weise:

,,Geschichte lehrt die Menschen, dass die Geschichte die Menschen nichts lehrt.“

Wer in dieser Welt friedvoll und gut leben und seinen Teil dazu beitragen möchte, dass Geschichte sich eben nicht ständig wiederholt, kommt wohl um das Wissen um Trauma nicht herum. Denn je höher das Bewusstsein und die Kenntnis unserer Selbst, desto klarer können wir auch andere Menschen sehen.

Hier nun also eine kleine Einführung in die Polyvagal-Theorie:

Wie du oben in der Landkarte sehen kannst, ist der Nervus Vagus mit seinem ventralen (vorderseitigen) und seinem dorsalen (rückseitigen) Zweig Teil des parasympathischen und damit des autonomen oder vegetativen Nervensystems.

Funktionen des Parasympathikus

Sympathikus und Parasympathikus erfüllen in unserem Organismus zwar sehr unterschiedliche Aufgaben, sind aber nicht (wie oft dargestellt) Antagonisten (Gegenspieler), sondern arbeiten vielmehr miteinander.

Der Parasympathikus ist zuständig für die autonomen Prozesse, die in Ruhe und Entspannung ablaufen. Dieser Teil unseres Nervensystems ist besonders bedeutsam für das Gestalten, Erleben und Empfinden von Verbundenheit und unseren Ausdruck als soziale Wesen. Er hilft uns Gelerntes zu integrieren und in Ruhe Kraft zu tanken. Eine einfache Methode um den Parasympathikus zu aktivieren ist beispielsweise die bewusste Verlängerung der Ausatmung.

Neben dem Gestalten von Verbundenheit ist ein anderer Teil des Parasympathikus zuständig für tiefe Entspannung, aber auch für die Notlösung des Totstellreflexes mit emotionaler Taubheit, körperlicher Starre und Immobilität.

Auf körperlicher Ebene bewirkt die Aktivierung des Parasympathikus eine Senkung

  • der Herztätigkeit
  • des Muskeltonus
  • des Stoffwechsels und
  • des Blutdrucks

Darüber hinaus führt er zu einer Verengung deiner Bronchien und Pupillen und sorgt für den Abbau von Stresshormonen. Die Verdauungstätigkeit sowie die Speichelsekretion nehmen zu und die Schweißsekretion wird gehemmt. Ist der Parasympathikus aktiv, wird die Energiezufuhr zu Organen, die für Regeneration wichtig sind, erhöht und die Energiezufuhr zu Organen, die für Aktivitäten wichtig sind, gedrosselt.

Der ventrale Vagus – Adresse von Co-Regulation

Der Vagusnerv ist nun Teil unseres parasympathischen Nervensystems und wiederum unterteilt in einen vorderseitigen und einen rückseitigen Zweig.

Der ventrale (vorderseitige) Vagus ist sozusagen ,,Kind“ der sozialen Interaktion. Dieser Zweig unseres Nervensystems ermöglicht uns feinfühlige Interaktion und kann uns mit tief empfundener Verbundenheit beschenken. Er reagiert auf innere und äußere Signale, die Sicherheit anzeigen.

Der ventrale Vagus

  • versorgt Teile des Gehörs
  • den Zungengrund
  • den Kehlkopf mit den Stimmbändern
  • sowie unsere Mimik (weshalb das Tragen von Masken wohl eher nicht das Erleben von Verbundenheit stärkt – es erschwert uns deutlich das ,,Lesen“ des Gefühlszustandes unseres Gegenübers)

Im Zustand ventral-vagaler Aktivierung sind wir empathisch und aufgeschlossen, fühlen uns in Harmonie mit anderen und nehmen unbewusst wahr, wie es anderen geht. Wir schwingen dann sozusagen mit dem anderen Nervensystem. Darüber hinaus fühlen wir uns auch mit uns selbst verbunden und sind präsent im Hier und Jetzt.

Zwei Beispiele ventral-vagaler Interaktion sind

  • eine Mutter, die mit ihrem kleinen Kind Fingerspiele macht oder
  • gemeinsames tanzen, musizieren oder das Kuscheln mit einem geliebten Tier

Wenn wir in dysregulierte Zustände geraten (beispielsweise, weil uns etwas triggert und ein inneres Stresserleben mit hoher sympathikotoner Erregung erzeugt), ist der ventrale Vagus in der traumasensiblen Prozessbegleitung immer auch die Adresse von Co-Regulation (schau einmal hier meinen Artikel zu Selbst- und Co-Regulation mit einer einfachen Basisübung zur Selbstregulation).

Inzwischen gibt es zahlreiche Bücher auf dem Markt, die sich mit dem Vagusnerv beschäftigen und Übungen zu dessen Aktivierung zeigen, die die Selbstheilungskräfte aktivieren, unter anderem dieses hier:

https://www.buch7.de/suche?utf8=%E2%9C%93&search=stanley+rosenberg&category=&commit=Suchen

Beachte aber auch, dass unser Leben hier auf der Erde nicht in transpersonalen Bewusstseinszuständen stattfindet und dass es auch nicht darum gehen kann, immer mehr Selbsthilfeliteratur zu konsumieren und alles alleine zu schaffen. Was ich damit sagen möchte ist, dass das Gefühl der Verbundenheit mit anderen feinfühligen Menschen in schweren Zeiten wohl den wesentlichsten Beitrag zu Heilung leisten kann.

Möchtest du dir insgesamt mehr Wissen in diesem Bereich aneignen, so kann ich dir den folgenden Kongress sehr ans Herz legen, auf dem viele Experten in spannenden Interviews zu Wort gekommen sind:

https://www.trauma-transformation.net/

Ich wünsche dir ein wundervolles Jahr 2023 mit Freiheit, Mut und Liebe!

Was ist Heilung und ist Heilung = Gesundheit? Und wer heilt hier eigentlich wen?

Es gibt Ärzte, es gibt Therapeuten – dann gibt es auch noch Heilpraktiker, Heiler, Schamanen und alle möglichen anderen Heilberufe (Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Logopäden etc.), und wenn du da nun überall gewesen bist und du fühlst dich immer noch nicht gut, bzw. gesund – was dann? Was ist eigentlich Gesundheit? Die WHO definiert Gesundheit in ihrer Verfassung von 1946 wie folgt:

„Gesundheit ist ein Zustand vollständigen körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Beschwerden und Krankheit.“

Wohlbefinden ist natürlich ein sehr weit interpretierbares Wort. Kann ein Sterbender, eine Sterbende sich wohlfühlen, also im weitesten Sinne gesund sein? Aus meiner Sicht eindeutig ja – wenn der Prozess des Sterbens, des Loslassens, bereits in das eigene Menschsein integriert wurde. In diesem Sinne kann ein Sterbeprozess wohl auch im Begriff Heilung integriert sein, denn Heilung ist vielleicht auch so etwas wie Akzeptanz, das Annehmen eines Zustandes/einer Situation. Und Heilung ist nie etwas rein Fremdinduziertes. Heilung beinhaltet immer auch ein Münchhausen-Syndrom. Der sogenannte ,,Lügenbaron“ Münchhausen erzählte die tollkühnsten Geschichten, aber vielleicht ist gerade an solchen Geschichten metaphorisch ja etwas dran. Unter anderem zieht er sich an seinem eigenen Haarzopf wieder aus dem Sumpf, eine schöne Metapher für die im Begriff der Heilung immer auch enthaltene Selbstheilung. Und Selbstheilung ist aus meiner Sicht ein Synonym für Selbstannahme und Selbstliebe.

So erzählt Baron Münchhausen von seiner Rettung:

„Bei der Verfolgung eines Hasen wollte ich mit meinem Pferd über einen Morast setzen. Mitten im Sprung musste ich erkennen, dass der Morast viel breiter war, als ich anfänglich eingeschätzt hatte. Schwebend in der Luft wendete ich daher wieder um, wo ich hergekommen war, um einen größeren Anlauf zu nehmen.

Gleichwohl sprang ich zum zweiten Mal noch zu kurz und fiel nicht weit vom anderen Ufer bis an den Hals in den Morast. Hier hätte ich unfehlbar umkommen müssen, wenn nicht die Stärke meines Armes mich an meinem eigenen Haarzopf, samt dem Pferd, welches ich fest zwischen meine Knie schloss, wieder herausgezogen hätte.“

Ziemlich abenteuerlich und draufgängerisch – das muss er sich ausgedacht haben, war also bestimmt ,,gelogen“. Oder nicht? Der Baron scheint in größter Not keine Hilfe zu benötigen – keine/n ,,Heilkundige/n“. Ungewöhnlich, aber vielleicht metaphorisch nicht unmöglich. Hier steckt unendlich viel Kraft und Macht drin. Vielleicht hat der Baron auch jahrelang geübt – unter Lebensbedrohung ist der Mensch zu Außergewöhnlichem in der Lage. Was macht noch gesund/heil? Der Mensch ist eine hochkomplexe und hochsoziale Spezies – leider ist die Schulmedizin inzwischen zu einem doch recht mechanistischen Menschenbild übergegangen, die den Menschen aus meiner Sicht oft herunterbricht auf zu ,,reparierende“ Materie. Auch Beziehung kann heilen (lies mal hier den Text von David Rotter), denn in Beziehung können wir neue Erfahrungen sammeln.

„Nicht die Zeit heilt alle Wunden. Erfahrungen heilen Wunden.“ (Verena König)

Der Mensch ist nicht fürs Alleinsein gemacht, denn nur im Gegenüber können wir uns selbst erkennen. Wir erkennen, dass wir alle Gefährten auf einer Reise sind und dass niemand alleine ist. Im Grunde sind wir alle mit dem Tag unserer Geburt Sterbende. Somit beinhaltet Heilung auch das Erkennen des All-Einsseins, der Verbundenheit, ein wunderbarer Schutz zum Beispiel vor schwerer Depression. Wenn uns das nächste Mal also unsere Regierung vorschreiben will, die Sterbenden in den Altenheimen wegen einer Pandemie allein zu lassen, hör nicht drauf – geh trotzdem hin…

„Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“ (Martin Buber)

Und natürlich gibt es auch die sogenannte ,,Beziehungsmedizin“ – du gehst zum Therapeuten/zur Therapeutin und das kann auch sehr heilsam sein. Im besten Falle erkennst du aber irgendwann: der Therapeut oder Arzt ist auch nur ein Mensch, eine Projektionsfläche für deinen Wunsch nach Heilung/Ganzheit. Aber das, was du da suchst, ist doch schon längst in dir. Und wenn du das erkennst – das ist dann ganz schlecht für mich – denn dann bin ich meine Machtposition los. Eine richtige Katastrophe ist das, denn ich wollte deine Retterin sein – und du sagst nun einfach ,,Nö – lass mal“. Bis vor kurzem dachtest du noch, dass ein Mensch mit Approbation sicher weiß, wie das geht mit der ,,Heilung“. Ein Irrtum – Arzt, Therapeut, Heiler – das sind immer auch wahnsinnige Ego-Dinger. Echte Beziehung bedeutet aber auch ab einer gewissen Tiefe Ego-Tod. Über dieses Dilemma, Macht und Ohnmacht sowie die hierarchische Struktur in der Arzt(Therapeuten)-Patienten-Beziehung schreibt Christian Schubert sehr schön in folgendem Interview:

https://multipolar-magazin.de/artikel/abhaengigkeit-machtverhaeltnis

Ich kann dich doch nicht ,,heil machen“, obwohl ich eine Approbation habe – aber wie vermessen wäre das denn? Nicht auszumalen den Gedanken zuzulassen, dass der Heiler dich vielleicht mehr oder zumindest genauso braucht wie du ihn…Und dann sagst du auch noch ,,Ja – ich habe Schmerzen – na und? So lange ich atme ist wohl mehr gesund an mir als krank.“ Furchtbar solche Patienten 😉

Was ist denn dann nun Heilung? Heilung ist das Überwinden der Spaltung, eine Integration von allem, auch von Schmerzen, Leid und Tod. Heilung ist Selbstliebe, Selbstliebe führt zu Annahme und damit innerem Frieden, eine Voraussetzung für äußeren Frieden. Wo Liebe ist, ist Frieden. Heilung und Frieden und Liebe sind Synonyme.

Als angehende Sterbeamme glaube ich immer an Heilung/Transformation. Ich glaube, dass du das kannst, denn nicht ich bin die Expertin, sondern du. Eine Sterbeamme ist, im Gegensatz zu einer Ärztin keine medizinische, sondern eine psycho-soziale Begleiterin, ich glaube das hier das Machtgefälle weit weniger ausgeprägt ist. Sterbeammen begleiten sowohl Sterbende als auch Trauernde und Menschen mit Ängsten, die in einer Lebenskrise stecken. Ich befinde mich zwar noch in der Ausbildung – wenn du aber Interesse an einer Begleitung hast, kannst du dich gerne melden…

In diesem Sinne – hab ein wunderschönes Weihnachtsfest und feiere die Liebe, denn Liebe ist immer auch die letzte Provokation:

https://theplattform.net/de/kanal/radio-muenchen/liebe-ist-die-letzte-provokation

Artikel mit inspiriert durch die Ausbildung zur Sterbeamme bei der wunderbaren Claudia Cardinal, weitere Infos findest du hier: https://sterbeamme.de

Die heilende Beziehung (von David Rotter)

Eine Beziehung von zwei bewussten Menschen, denen all dies (Projektionen und andere Wahrnehmungsstörungen) klar ist, birgt ein immenses Potenzial zur Heilung. Aber sie verlangt mehr von uns, als es auf den ersten Blick scheint.

Die grundsätzliche Illusion der Sicherheit, einer der Hauptgründe, warum wir Beziehungen überhaupt so sehr brauchen, hat keinen Platz in einer heilenden Beziehung. Loyalität, Freundschaft, Verlässlichkeit – all dies ja, aber keine Illusionen mehr, mit all ihren Besitzansprüchen, den Kontrollbedürfnissen und der gegenseitigen Sabotage. Heilung kann nur geschehen in einem Raum von Freiheit, in dem jeder authentisch sein darf, wer er oder sie ist. So selbstverständlich das in der Theorie klingen mag, so schwierig ist es oft zu leben. Und bei Freiheit geht es hier nicht um freie Liebe und wahllosen Sex, sondern darum, den anderen in keiner Weise kontrollieren zu wollen, ihm den Raum zur Entfaltung zu geben, ihn blühen zu lassen. Darum, jede Sekunde die Entscheidung füreinander neu zu treffen.

Eine heilende Beziehung verlangt von beiden Partnern vollständige Bewusstheit über Projektionen und ein ständiges Hinterfragen. Sie beinhaltet die Verabredung, immer zuerst bei sich selbst zu schauen – vor allem dann, wenn es am meisten weh tut. Sie verlangt von beiden, dass der andere gehalten werden kann, wenn er in Projektionen versinkt – eine Aufgabe die große Integrität und Sensibilität erfordert, denn oft sind die Projektionen mit sehr viel Emotion aufgeladen. Beide Partner müssen den jeweils anderen vollständig als Therapeut und Lehrer anerkennen, müssen es lernen zuzugeben, wenn sie projizieren und bereit sein, Hilfe von ausgerechnet der Person anzunehmen auf die sie eigentlich projizieren. Totaler Respekt, tiefes Mitgefühl und bedingungsloses Vertrauen sind dafür Voraussetzung. Machtspielchen haben hier keinen Platz, Schwäche und Stärke, Rechthaben und Schuld sind Konzepte, die in einer solchen Beziehung ihre Bedeutung mehr und mehr verlieren.

Die heilende Beziehung erfordert von uns die Kraft und den Mut, hunderte, vielleicht tausende Male über unseren Schatten zu springen. Den Raum und das Herz immer und immer wieder zu öffnen, selbst wenn in uns starke Emotionen wirken und alles in uns nur weglaufen und sich verschließen möchte. Wir lernen, Schwäche und Irrtum zuzugeben, uns mit dem Schmerz zu zeigen, hierzubleiben, alles hineinzulegen in das Feld des Vertrauens, dass wir mit dem Partner kreieren. Und wir lernen auch uns nicht mehr selbst zu beschränken, unsere Stärke bedingungslos zu leben, unsere Wahrheit zu sprechen. Wenn das gelingt, geschehen Wunder.

Vagus-Ohrmassage zur Selbstregulation

Im Folgenden möchte ich eine weitere tolle Übung zur Selbstregulation mit dir teilen – es handelt sich um eine Ohrmassage, durch die der ventrale Vagus, ein Teil des Parasympathikus, stimuliert wird. Durch Aktivierung des Parasympathikus (ein Teil unseres vegetativen oder autonomen Nervensystems) kannst du aktiv zum Abbau von Stresshormonen beitragen und förderst eine ,,Verdauung von Erlebtem im Körper und im Geiste“, also Integration. Dieser Zweig des Nervensystems wird auch bei gelingender Co-Regulation adressiert, denn er ist für soziale Interaktion zuständig (s. auch hier meinen Artikel zu den Grundlagen von Co- und Selbstregulation).

Auf körperlicher Ebene kommt es dadurch unter anderem zu einem Abfall des Blutdrucks und der Herzfrequenz – Regeneration und Erholung werden gefördert.

Die Übung eignet sich auch besonders bei Einschlafschwierigkeiten oder wenn du zu Spannungskopfschmerzen neigst.

Bevor du beginnst kannst du einmal prüfen in welchem Zustand sich dein Nervensystem gerade befindet – befindest du dich im Stresstoleranzfenster eher am oberen Rand oder am unteren Rand oder vielleicht sogar etwas außerhalb des Randes, d.h. über- oder untererregt? Nimm einfach wahr und bewerte nicht. Wenn sich während der Massage etwas aktivierend oder unangenehm anfühlen sollte, mach einfach eine Pause oder etwas ganz anderes…

Setze dich nun zunächst aufrecht und bequem angelehnt hin oder begib dich in die Rückenlage und stelle die Beine dabei optimalerweise an und dann kann es auch schon losgehen:

1. Schaue zunächst nach dem Zustand deiner Ohren bzw. nach dem Spannungszustand rund um deine Ohren herum – beginne bei einem Ohr und umfasse mit deinen Fingern die Ohrmuschel. Ziehe nun sanft an deinem Ohr, um festzustellen, wie sehr sich dein Ohr bewegen lässt… Fühlt es sich leicht, flexibel oder angespannt an? Nimm einfach wahr,

wiederhole das gleiche auf der anderen Seite und spüre nach, ob du Unterschiede fühlst.

2. Geh nun wieder zum ersten Ohr zurück und setze mit deinem Zeigefinger oben an der Ohrmuschel an, rutsche nun Richtung Nase nach vorne herunter als würdest du eine Wasserrutsche entlangrutschen – du landest dann in einer Kuhle, in der dein Zeigefinger ruhen kann und in der du ganz sanft in kleinen Kreisen dein Ohr massieren kannst. Der anatomische Name für diese Höhle ist Fossa triangularis. Übe nicht viel Druck aus, sondern massiere eher sanft, liebevoll und langsam – vielleicht spürst du eine Veränderung deiner Atmung, musst schlucken oder gähnen… Lass nun deine Hand sinken und spüre einen Moment nach – mache dann das gleiche auf der anderen Seite und massiere liebevoll die Kuhle des anderen Ohres… Lass nun deine Hand wieder sinken und spüre auch hier ein bisschen nach…

3. Nun massiere mit deinem Zeigefinger den Anfang deines Gehörganges – wende dafür deine Handfläche zu deinem Gesicht, so dass dein Zeigefinger nach hinten zeigt. Beginne nun am äußeren Eingang deines Gehörganges ganz sanft mit deinem Zeigefinger das Ohr nach hinten zu drücken – du kannst deinen Zeigefinger kreisen lassen, so dass du immer wieder von vorne deinen vorderen Gehörgang langsam massierst und dabei eine Bewegung machst, die wie eine kleine Abwärtsbewegung ist – lass deine Hand nun sinken und spüre einen Moment nach, geh dann zu deinem anderen Ohr. Lasse auch hier deinen Zeigefinger an deinem äußeren Gehörgang sanft kreisen, so dass ein leichter Druck in Richtung deines Hinterkopfes entsteht. Führe ganz langsam und behutsam deine Bewegungen durch.

Fühlt sich an deinen Ohren bereits etwas anders an als zu Beginn der Massage? Lockerer? Oder fester? Mit dieser Massage stimulierst du den Ramus auricularis, einen Zweig des Nervus Vagus, welcher die Haut der Ohrmuschel, des inneren Gehörganges sowie einen Teil des Trommelfells sensibel versorgt. Dieser Ast ist unter anderem dafür verantwortlich, dass bei Reizung des äußeren Gehörganges, zum Beispiel durch kaltes Wasser oder Fremdkörper, ein Hustenreiz entsteht. Über die sanfte Massage bekommt der Nervus Vagus ein Feedback, welches ihn anregt und zu einer Entspannungsreaktion führt.

Nun folgt der 2. Teil der Massage, bei dem wir uns um muskuläre Spannungen kümmern:

4. Umfasse nun dein Ohr – aber eher so, als wolltest du hineingreifen, als wolltest du dein Ohr nach hinten wegziehen – mach auch dies nicht mit Kraft, sondern entspannt und vorsichtig. Dann ziehe dein Ohr sanft ein bisschen nach unten, ziehe es dann sanft nach oben. Du kannst noch etwas in deinem Tempo fortfahren – in verschiedene Zugrichtungen – sanft und ohne Kraft. Spüre dann nach, wie sich die Seite deines Kopfes und dein Ohr jetzt anfühlt.

Wechsle dann erneut die Seite und greife in dein anderes Ohr – umfasse es mit Zeigefinger und Daumen und ziehe dann sanft erst nach unten und dann nach oben und dann in deinem Tempo in die verschiedenen Richtungen. Beobachte dabei das Fließen deines Atems.

5. Fasse nun mit deinem Zeige- und deinem Mittelfinger hinter dein Ohr an den Schädel, an den Bereich zwischen deinem Ohr und dem Haaransatz. Lege hier nun deine Finger auf und schiebe sanft deine Haut und die darunter liegende fasziale Struktur nach oben und halte sie dort, ohne Anstrengung – ganz entspannt und leicht, du übst nun eine sanfte Zugkraft nach oben aus. Als nächstes wechsle die Richtung und mache das gleiche, aber nach unten. Ziehe die fasziale Struktur sanft nach unten, deine Finger bleiben an der gleichen Stelle. Vielleicht entspannt sich dein Kiefer, vielleicht spürst du einen Atemzug oder es kommt das Bedürfnis auf, dich zu bewegen, dich zu recken und zu strecken. Ziehe nun die Haut und die fasziale Struktur nach hinten. Lasse deine Hand nun sanft sinken, spüre nach und wechsle dann erneut die Seite. Bewerte nicht, wenn es sich anders anfühlt als auf der anderen Seite – meistens sind die Seiten unterschiedlich.

Spüre nun noch einmal nach – wie fühlt sich der Bereich um dein Ohr, deinen Kiefer jetzt an?

Wie fühlt sich dein Gesamtzustand jetzt an?

Du kannst noch einmal beide Ohren in deine Hände nehmen und vergleichen wie sie sich im Vergleich zum Beginn der Übung anfühlen – lassen sie sich besser, leichter, weicher bewegen?

Solltest du gelegen haben, dann setze dich nun wieder auf und orientiere dich im Raum – wie fühlt sich dein Körper an und in was für einem Zustand befindet sich dein autonomes Nervensystem? Vielleicht (hoffentlich) fühlst du dich jetzt mehr in der Mitte deines Stresstoleranzfensters.

Nimm dir zum Schluss etwas Zeit, stehe nicht zu schnell auf und sei sanft und wohlwollend mit dir beim Übergang zu deinen alltäglichen Aktivitäten…

Selbstregulation

Selbstregulation als Grundlage für ein bewusstes, friedvolles Leben

Im Folgenden möchte ich zunächst eine einfache Basis-Übung zur Selbstregulation mit dir teilen, die du mehrmals am Tag durchführen kannst, um dich besser mit dir selbst zu verbinden und dich wieder ins Hier und Jetzt zu orientieren, insbesondere wenn du dich häufig gestresst oder angespannt fühlst. Dadurch kann sich deine Kapazität für schönes Erleben erhöhen.

Basis-Übung zur Orientierung im Raum

Zunächst einmal suche dir eine bequeme Position – das kann aufrecht stehend sein oder an der Wand gelehnt, sitzend oder sanft und langsam gehend. Deine Orientierung im Hier und Jetzt erfolgt über den Sehsinn sowie den sensorischen Sinn des Bewegens. Lasse nun langsam und behutsam deinen Blick in deinem Umfeld schweifen und folge mit deinem Kopf deinem Blick – so als wolltest du ein detailreiches Gemälde begutachten. Dein Kopf bewegt sich in die Richtung in die du blickst – dies führt zu einer Bewegung der Muskeln in deinem Hals, die wesentlich zur Orientierung beitragen. Die Orientierung wiederum signalisiert deinem Nervensystem Sicherheit – dein Parasympathikus wird aktiviert. Führe alle Bewegungen zeitlupenlangsam durch und ziehe alle Dimensionen (oben, unten, hinten) mit ein. Durch die Bewegung deiner Halsmuskulatur erfolgt eine Rückkopplung an deinen Vagusnerv – ein dem Hirnstamm entspringender Nerv, der essenziell wichtig für das Erleben von Verbundenheit und Sicherheit ist. Die Bewegung und die Orientierung wirken sich regulierend auf dein Nervensystem aus. Wenn du dich häufig gestresst oder unter Anspannung fühlst, kann dir diese Übung helfen. Führe die Übung solange durch, bis ein tiefer autonomer Atemzug aufsteigt, dann beende die Übung – spüre im Anschluss an die Übung nach, was sich vielleicht verändert hat im Vergleich zum Beginn.

,,Der Sturm wird immer stärker. Das macht nichts. Ich auch.“ (Astrid Lindgren – Pippi Langstrumpf)

Was ist Selbstregulation? Was ist Co-Regulation?

Nun noch ein paar weiterführende Erklärungen:

Grundlage für ein Leben in psychischer und physischer Gesundheit ist die Fähigkeit der Selbstregulation, das heißt die Möglichkeit, auf das eigene Nervensystem Einfluss zu nehmen und damit steuernd auf emotionale sowie körperliche Zustände einwirken zu können. Diese Fähigkeit ist essenziell wichtig, denn – je regulierter du bist – desto besser gelingt es dir mit deiner Aufmerksamkeit bei dem zu bleiben, worauf du dich konzentrieren möchtest.

Wir befinden uns dann innerhalb unseres Stresstoleranzfensters (s. auch hier meinen Artikel zum Vegetativen Nervensystem) und sind präsent. Meiner Meinung nach ist wahre Präsenz das Zahlungsmittel unserer Zeit, denn meistens befinden wir uns entweder gedanklich in der Zukunft oder in der Vergangenheit und erzeugen damit unbewusst Stress.

Die Fähigkeit zur Selbstregulation ist uns jedoch nicht angeboren – als Babys und Kinder sind wir essenziell auf Co-Regulation durch unsere Bezugspersonen angewiesen – unser eigenes Nervensystem bzw. die Weite unseres Stresstoleranzfensters entwickelt sich erst nach und nach durch die immer wiederkehrende liebende Zuwendung durch einen beruhigend wirkenden Erwachsenen. Co-Regulation beschreibt also einen Vorgang, bei dem ein Mensch oder ein Tier mit einem regulierten Nervensystem einem anderen Menschen oder Tier hilft sich selbst zu regulieren bzw. zu beruhigen, beispielsweise also einfach, wenn eine Mutter ihr schreiendes Baby wiegt.

Die gute Nachricht: Auch wenn wir als Kinder nicht gut co-reguliert wurden (beispielsweise weil unsere Bezugspersonen das für sich selbst nicht gut konnten, da diese bereits traumatisiert waren) und unser Nervensystem durch ein schmales Stresstoleranzfenster ständig zwischen Über- und Unterregung pendelt, ist diese Fähigkeit auch später erlernbar – wenn wir bereit sind, uns unserem Inneren liebevoll zuzuwenden und damit in Kontakt zu treten, kann die Fähigkeit sich selbst zu beruhigen durch die Plastizität unseres Gehirns und neue Lernerfahrungen stetig verbessert werden.

Wenn du selbst nicht weiterkommst, kannst du dir für das Erlernen verbesserter Selbstregulation auch einen traumasensiblen Coach oder Therapeuten suchen – aus meiner Sicht ist es wichtig, dass am Anfang der Aufbau einer sicheren Beziehung steht und dass der Körper (der von dem durch Trauma ein dysbalanciertes Nervensystem betroffen ist) in die Arbeit mit einbezogen wird. Durch immer wiederkehrende Co-Regulation (durch deine/n Begleiter/in) erlernst du Selbstregulation und gelangst so zurück zu Selbstermächtigung.

Selbstregulation zu erlernen ist eigentlich Körperarbeit – denn es bedeutet, immer besser die eigenen vegetativen Zustände einordnen und in der Folge auch beeinflussen zu können – ist eher mein Sympathikus (hilft beim Fliehen oder Kämpfen in anstrengenden und gefährlichen Situationen) oder mein Parasympathikus (aktiv beim Ausruhen, Schlafen oder bei Entspannungspausen) gerade aktiv bzw. bin ich gerade über- oder untererregt? Welcher vegetative Zustand verbirgt sich hinter meiner Kompensationsstrategie?

Suchthaftes Verhalten (z.B. übermäßiges Essen, Alkohol, Handy, Macht, Geld etc.) sind häufig Kompensationsstrategien, um sich von inneren Spannungszuständen abzulenken – man könnte dies auch als unzweckmäßige Selbstregulation bezeichnen, da wir uns damit natürlich auf Dauer nichts Gutes tun.

Je besser wir uns aber selbst regulieren können und selbst kennenlernen, desto besser können wir auch anderen Menschen guttun und desto eher gelingt es uns sogar vielleicht als Gesellschaft auch irgendwann, Phänomene systemischer und kollektiver Traumatisierungen (Krieg, transgenerationale Traumatisierungen, Rassismus etc.) ganz zu durchbrechen. Und das ist doch wirklich ein lohnenswertes Ziel…

,,Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“ (Mahatma Gandhi, 1869-1948)

Hast du weitere Fragen – melde dich gerne bei mir

Achtsamkeit oder die Macht des Projektors in deinem Kopf

Wir leben in durchaus stürmischen Zeiten, in Zeiten der Transformation. Viele Themen können Ängste in uns triggern, polarisieren und zu zwischenmenschlicher Spaltung führen – Corona, Klimawandel, Inflation, Krieg… Wie schaffen wir es, bei uns zu bleiben, nicht in Panik zu verfallen und erst recht nicht unser Gegenüber anzugreifen? Angst ist meist eine unhinterfragte Projektion der Zukunft, ein Konstrukt, das nur in deinen Gedanken besteht und mit dem Hier und Jetzt in aller Regel wenig zu tun hat (es sei denn es steht tatsächlich ein hungriger Tiger vor dir).

,,In meinem Leben habe ich unvorstellbar viele Katastrophen erlitten. Die meisten davon sind nie eingetreten.“ (Mark Twain, 1835-1910)

Schau dich einmal dort um, wo du dich gerade befindest – was siehst du, was hörst du – jetzt? Schließe die Augen und öffne sie wieder – versuche präsent zu sein – gibt es jetzt, jetzt in diesem Moment irgendein Problem? In Wahrheit haben wir doch immer eine Wahl, die Wahl unserer Aufmerksamkeitslenkung und des Einnehmens einer Metaebene – denn du bist weder deine Gedanken, noch deine Gefühle – du bist das Bewusstsein, das dies alles wahrnehmen und beobachten kann. Das bedeutet Achtsamkeit – Achtsamkeit bedeutet, immer öfter aussteigen zu können aus deinem inneren Film und dich wieder im Hier und Jetzt verankern zu können. Durch deinen Körper, deine Sinneswahrnehmungen.

Deine Gedanken sind wie Wolken am Himmel. Sie kommen und gehen wieder vorbei.

Genauso ist es mit deinen Emotionen, die meistens ein Produkt deiner (auch unbewussten und unhinterfragten) Gedanken sind und umgekehrt. Je achtsamer wir werden, desto bewusster werden wir auch und desto eher kann es uns gelingen eine Pause zwischen Reiz und Reaktion zu setzen. Und dann können wir uns immer öfter fragen, ob wir nicht lieber aus unserer selbst gewählten Ohnmacht, unserem stressigen ,,Film“ aussteigen wollen um in einen anderen ,,Film“ zu springen. Gibt es auch noch andere Perspektiven? Möchte ich mich jetzt selber so mit meinen eigenen Gedanken stressen? Wunderbar verständlich erklärt das Daniele Ganser, ein Schweizer Historiker und Friedensforscher in folgendem Video:

Durch Übung in Achtsamkeit wird es uns als Menschheit auch eher möglich, Frieden zu bewahren und eben nicht in die Spaltung zu gehen, denn (wie Daniele Ganser ausführt) wir übernehmen die volle Verantwortung für unsere Gedanken und Gefühle. Beobachte also, was dein Gegenüber in dir auslöst und in welchen ,,Film“ du durch deinen Mitmenschen katapultiert wirst. Denn, auch wenn das echt schwer zu verinnerlichen ist: Nichts von dem was andere Menschen tun oder sagen hat etwas mit dir zu tun – es hat primär etwas mit Ihnen zu tun. Wenn sie dich mögen, ist das ihre Sache und wenn sie dich nicht mögen ist das auch ihre Sache.

Ein Beispiel (etwas, das mich zum Beispiel immer noch sehr triggert):

Dein Gegenüber findet, es sei eine gute Idee eine staatliche Impfpflicht einzuführen und damit in die körperliche Unversehrtheit der Bürger einzugreifen.

Zugegeben (auch aus meiner heutigen Sicht) schon ein ziemlich verwegener und, wie ich finde, durch und durch übergriffiger Gedanke. Du beobachtest, wie Wut in dir aufsteigt, die Gedanken beginnen zu rasen, dein Sympathikus wird aktiv und versetzt dich blitzschnell in einen Kampfmodus, Energie wird bereitgestellt. In diesen Momenten sollten wir achtsam sein und beobachten was der andere in uns getriggert hat. Das bedeutet nicht, dass wir uns selbst verlassen müssen, nicht unsere Meinung sagen dürfen und erst recht nicht, dass wir uns nicht wehren dürfen wenn wir angegriffen werden – es bedeutet primär, nicht auszuagieren, nicht in die Spaltung zu gehen, im schlimmsten Fall dem anderen nicht das Recht auf Leben zu verwehren – ja so schlimm kann es kommen, wenn wir nicht zuerst bei uns gucken. Auch Krieg ist eine Geisteskrankheit, eine sichtbar gewordene Spaltung, die auf kollektive Unbewusstheit zurückzuführen ist. Wenn wir denken, dass allein unser Gegenüber durch diese oder jene Überzeugung schuld ist, liegen wir meistens falsch. Denn du bist getriggert, du bist so verletzt. Bleibe ruhig und wundere dich beispielsweise über die Ansichten deines Gegenübers – wie interessant, dass du der Meinung bist… Wundere dich viel und oft, das ist immer gut. Wundere dich und dann beobachte deine Umgebung und stelle fest, was wirklich im Moment präsent ist und ob du es schaffst dich wieder im Hier und Jetzt zu verankern.

Hier sind die vier Spiegel-Gesetze (von Also Berti)

1. Spiegel-Gesetz

Alles was mich am anderen stört, ärgert, aufregt oder in Wut geraten lässt und ich anders haben will, habe ich selbst in mir. Alles was ich am anderen kritisiere oder sogar bekämpfe und verändern will, kritisiere, bekämpfe oder unterdrücke ich in Wahrheit in mir und hätte es gerne anders.

2. Spiegel-Gesetz

Wenn der andere mich kritisiert, bekämpft und verändern will und ich mich deswegen verletzt fühle, so betrifft es mich – ist dies in mir noch nicht erlöst. Meine gegenwärtige Persönlichkeit fühlt sich beleidigt – der Egoismus ist noch stark.

3. Spiegel-Gesetz

Alles was der andere an mir kritisiert und mir vorwirft oder anders haben will und bekämpft und mich dies nicht berührt, ist sein eigenes Bild, sein eigener Charakter, seine eigenen Unzulänglichkeiten, die er auf mich projiziert.

4. Spiegel-Gesetz

Alles, was mir am anderen gefällt, was ich an ihm liebe, bin ich selbst, habe ich selbst in mir und liebe dies im Anderen. Ich erkenne mich selbst im Anderen – in diesen Angelegenheiten sind wir eins.

,,Die projizierte Welt kannst du nicht ändern, wohl aber den Projektor, den Verstand. Achte einfach darauf, wann die Dinge aus dem Gleichgewicht geraten. Du musst das nicht erst mühsam herausfinden. Es gibt ein eingebautes Signal, das dich darauf aufmerksam macht – es heißt Stress.“ (Byron Katie)

Und sei auch vorsichtig mit deinem Gegenüber, weil du im Grunde nichts weißt. Du weißt nicht, warum jemand so ist wie er sich dir präsentiert. Ein elementarer Grundsatz des Hippokratischen Eides (eine ethische Richtlinie für Ärzte) besagt: Primum nil nocere, secundum cavere, tertium sanare, was soviel bedeutet wie: Zuallererst nicht schaden, zweitens vorsichtig sein und erst drittens heilen. Achte also zum Beispiel schon auf deine Worte, denn auch Worte können verletzen – die Seele.

Achtsamkeit ist aus meiner Sicht eine wichtige Säule nicht nur für die Integration eigener verletzter Anteile, sondern auch elementar wichtig für die Aufrechterhaltung von Frieden. Viele Krankenkassen bieten Zuschüsse bei Präventionskursen an, in denen man Achtsamkeit lernen kann. Ein sehr bekannter und wissenschaftlich gut untersuchter Kurs, in dem man Achtsamkeit lernen kann, ist MBSR – mindfulness-based-stress-reduction, ein Programm, was auf den Grundlagen buddhistischer Achtsamkeitsmeditation beruht und was zum Beispiel auch helfen kann, besser mit Schmerzen und Krankheit umzugehen.

Bei zertifizierten Anbietern gibt es in aller Regel eine Kostenbeteiligung durch deine Krankenkasse.

Schau einmal hier:

https://www.mbsr-verband.de/

Hast du Fragen – melde dich gerne bei mir!

Sozusagen grundlos vergnügt

Ich freu mich, dass am Himmel Wolken ziehen,

und dass es regnet, hagelt, friert und schneit.

Ich freu mich auch zur grünen Jahreszeit.

Wenn Heckenrosen und Holunder blühen,

– dass Amseln flöten und dass Immen summen,

dass Mücken stechen und dass Brummer brummen,

dass rote Luftballons ins Blaue steigen,

dass Spatzen schwatzen und dass Fische schweigen.

Ich freu mich, dass der Mond am Himmel steht,

und dass die Sonne täglich neu aufgeht,

dass Herbst dem Sommer folgt und Lenz dem Winter

gefällt mir wohl. Da steckt ein Sinn dahinter.

Wenn auch die Neunmalklugen ihn nicht sehen,

man kann nicht alles mit dem Kopf verstehen.

Ich freue mich, das ist des Lebens Sinn,

ich freue mich vor allem, dass ich bin.

In mir ist alles aufgeräumt und heiter:

die Diele blitzt, das Feuer ist geschürt.

An solchem Tag erklettert man die Leiter,

die von der Erde in den Himmel führt.

Da kann der Mensch, wie es ihm vorgeschrieben,

weil er sich selber liebt – den Nächsten lieben.

Ich freue mich, dass ich mich an das Schöne

und an das Wunder niemals ganz gewöhne,

dass alles so erstaunlich bleibt und neu.

Ich freue mich, dass ich… dass ich mich freu.

Mascha Kaléko (1907-1975)

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