Buchempfehlung: Quintessenzen – Überlebenskunst für Anfänger von Sven Böttcher

Sven Böttcher erkrankt 2005 an Multipler Sklerose und ist nach schwerem Verlauf Ende 2007 fast gelähmt. Er entscheidet sich auf eigene Gefahr für einen Gesundungsweg abseits der Schulmedizin und nutzt die ihm verbleibende Zeit, um seinen Töchtern ,,alles Hilfreiche für den Überlebensweg“ aufzuschreiben. Inzwischen ist Böttcher genesen trotz oder vielmehr weil er das Krankensystem verließ, Experten seither meidet und sich eigenverantwortlich um seine Gesundheit kümmert.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors hier nun also mein Lieblingsabschnitt aus seinem wunderbaren Buch Quintessenzen – Überlebenskunst für Anfänger. Eine Abhandlung über mein großes Vorbild Jesus Christus, ein Rebell, der von den Kirchen doch allzu oft nur zur Machtausübung missbraucht wird:

J.C.

Über Jesus muss man nicht viel wissen. Allerdings muss man das wissen, was einem die Religionslehrer leider nicht sagen, jedenfalls nicht laut und deutlich, und die komischen Kirchengestalten erst recht nicht. Eines nur, nämlich: Jesus war der größte Revolutionär, den die Welt je gesehen hat. Völlig unerheblich ist dabei die Frage, ob er tatsächlich ,,gelebt“ hat, ob irgendwas von dem, was in der Bibel steht, im journalistischen Sinn ,,wahr“ ist, und noch viel unerheblicher ist, ob Jesu biographische Daten bei den ägyptischen Erfindern des alten Horus abgekupfert waren. Entscheidend ist, dass Jesus immer noch lebt, weil seine Idee lebt. Und was ist das für eine Idee!

Jenseits aller ihm zugeschriebenen Regeln, Gebote und so fort hat Jesus vor allem eins gesagt:

Du bist frei.

Vor allem bist du frei Entscheidungen zu treffen, und das in jeder Sekunde deines Lebens. Klingt selbstverständlich für geborene Demokraten wie uns, woraus du dann gleich ableiten darfst, dass Jesus die Demokratie erfunden hat. Seine Idee war nämlich ganz neu und ganz und gar unerhört, als er sie aussprach in einer geordneten Welt voller Sklaven und Geburtsrechte. Jesus war der Erste, der darauf bestand, jeder Mensch sei frei.

Du bist durch nichts verhindert, dich großartig zu verhalten, im Rahmen deiner Möglichkeiten. Und genauso wenig bist du gehindert, dich beschissen zu verhalten. Es ist deine Entscheidung und deshalb ist beschissenes Verhalten auch nicht zu entschuldigen. Cineastisch gesagt: Welche Seite der Macht du wählst, was du tust, ja sogar was du worüber denkst und ob du dein Leben für eine gute Sache oder eine miese führst, liegt allein bei dir. Darth Vader oder Luke?

Verschweigen wir, dass die Interpreten des grandiosen Revoluzzers alles vermasselt haben, von den Kreuzzügen bis zur evangelischen Hochzeitszeremonie auf dem Lande. Verschweigen wir das alles, es ist kein schönes Thema. Vergiss die Kirche.

Mir persönlich waren die Vorgänger Jesu, die Stoiker, immer erheblich sympathischer als die Nachfolger des Revoluzzers. Bei den Stoikern war alles immer sauber geordnet, der Kosmos fand Berücksichtigung, zum Glück, was er bei den Christen eher gar nicht tut, am Ende war man gut aufgehoben, im Leben wie im Tod. Aber eben dort, wo einen das Schicksal hingestellt hatte, womit auch die größte Schwäche dieser Denkart beschrieben ist.

Dir wird auf dem Sinn zum Leben auch der Buddhismus gefallen, weil er bei nicht allzu genauer Betrachtung so wunderbar wenig verlangt und so schön friedlich ist, aber wenn du ganz genau hinsiehst, wirst du feststellen, dass Jesus, im Kern, den entscheidenden Schritt weitergeht als der Buddhist. Den musst du nicht machen, denn er tut weh. Aber du musst ihn kennen und verstanden haben.

Ob Jesus nun tatsächlich gelebt hat oder eine gelungene Erfindung war: Der Mann hat die Latte unglaublich hochgelegt und – was entscheidend ist – dein mögliches Scheitern berücksichtigt und gleich mal vorneweg vergeben. Gemessen wirst du alleine an deinem Bemühen und niemand, nicht du und nicht irgendwer sonst, kann sein wie Jesus. Wenn Goethe über seinen sterbenden Faust schreibt, ,,Wer immer strebend sich bemüht, den werden wir erlösen“ und seinen gescheiterten Gescheiten so dem Teufel von der Klinge springen lässt, dann fasst er damit den Kern in Worte. Denn darum geht’s, täglich. Zu wissen, was richtig ist, und sich zu bemühen, nach Kräften, danach zu handeln. Zu scheitern und sich wieder zu bemühen. Ein Leben lang.

Du wirst leiden, wenn du das versuchst. Du wirst nicht leiden wie Jesus, aber du wirst leiden. Mehr als der Buddhist, der zwar weiß, dass Leben Leiden ist, das aber auf dem Weg ins Nirwana gar nicht so schlimm findet.

Du wirst es schlimm finden, für dich. Jesus fand es schlimm, für sich. Aber er wusste, dass es keinen anderen Weg gibt, und darin lag sein Trost. Lass Liebe deinen einzigen Leitstern sein, sei nachsichtig, vergib alles, was du kannst, und sei dir immer im Klaren darüber, dass du frei bist. In jeder Sekunde deines Lebens.

Und sollte man dich am Ende ans Kreuz schlagen nach einem Leben geprägt vom Bemühen zu lieben und solltest du immer noch trotzig das einzig Wahre konstatieren, nämlich: ,,Und trotzdem liebe ich“, sei versichert, dass du nicht verloren gehst. Denn auch hier treffen sich Jesus, seine buddhistischen Freunde, Stoiker, Planck und die Quantenphysiker in einer fundamentalen Gewissheit: In diesem Kosmos geht nichts verloren.

(Sven Böttcher – Quintessenzen – Überlebenskunst für Anfänger)

Das Wunder der Co-Regulation

,,Ferkel?“, fragte Pooh.

,,Ja?“, sagte Ferkel.

,,Ich habe Angst“, sagte Pooh.

Einen Moment lang herrschte Schweigen.

,,Möchtest du darüber reden?“, fragte Ferkel, als Pooh nichts weiter zu sagen schien.

,,Ich habe einfach solche Angst“, platzte Pooh heraus. ,,So ängstlich. Denn ich habe nicht das Gefühl, dass die Dinge besser werden. Wenn überhaupt, habe ich das Gefühl, dass es schlimmer werden könnte. Die Menschen sind wütend, weil sie so viel Angst haben, und sie gehen aufeinander los, und es scheint keinen klaren Plan zu geben, wie man hier herauskommt, und ich mache mir Sorgen um meine Freunde und die Menschen, die ich liebe, und ich wünsche mir so sehr, dass ich sie alle in den Arm nehmen könnte, und oh, Ferkel! Ich habe solche Angst, und ich kann dir nicht sagen, wie sehr ich mir wünsche, dass es nicht so wäre.“

Ferkel blickte nachdenklich in den blauen Himmel, der zwischen den Ästen der Bäume im Hundertmorgenwald hervorlugte, und hörte seinem Freund zu.

,,Ich bin hier“, sagte er schlicht. ,,Ich höre dich, Pooh. Und ich bin hier.“

Einen Moment lang war Pooh perplex.

,,Aber… willst du mir nicht sagen, dass ich nicht so dumm sein soll? Dass ich aufhören soll, mich in einen Zustand zu versetzen und mich zusammenreißen soll? Dass es im Moment für alle schwer ist?“

,,Nein“, sagte Ferkel, ganz entschieden. ,,Nein, ich werde ganz bestimmt nichts von alledem tun.“

,,Aber…“, sagte Pooh.

,,Ich kann die Welt jetzt nicht ändern“, fuhr Ferkel fort. ,,Und ich werde dich auch nicht mit Plattitüden darüber beglücken, dass alles gut werden wird, denn das weiß ich nicht. Was ich aber tun kann, Pooh, ist, dafür zu sorgen, dass du weißt, dass ich hier bin. Und dass ich immer hier sein werde, um zuzuhören, dich zu unterstützen und dir zu sagen, dass du gehört wirst. Ich kann diese ängstlichen Gefühle nicht verschwinden lassen, nicht wirklich. Aber ich kann dir versprechen, dass du diese ängstlichen Gefühle niemals alleine fühlen musst, solange ich noch Atem in meinem Körper habe.“

Und es war seltsam, denn noch während Ferkel das sagte, spürte Pooh, wie einige dieser ängstlichen Gefühle begannen, sich in den Wald zu verkriechen, eingeschüchtert von seinem Freund, der stur neben ihm saß.

Pooh dachte, er sei noch nie so dankbar gewesen, Ferkel in seinem Leben zu haben.

(aus Winnie the Pooh, A.A.Milne)

Ich erzähl dir eine Geschichte – Stiftung gewaltfreie Kindheit

,,Eine friedliche Welt beginnt mit einer gewaltfreien Kindheit.“

Im folgenden Interview mit der wunderbaren Sylvie-Sophie Schindler geht es um die Wichtigkeit des Märchenerzählens. Märchen entsprechen ganz sicher nicht dem woken Zeitgeist, umso wichtiger daran zu erinnern wie wichtig das Märchenerzählen immer noch ist und wie wunderbar magisch die Welt ist, in die sie Kinder entführt. Sylvie ist übrigens derzeit eine meiner Lieblingsautorinnen – sie schreibt abseits vom Mainstream mit viel Herz und Authentizität, ist Philosophin, Erzieherin und betreibt einen eigenen YouTube Kanal, der sich für den guten Dialog einsetzt(s. Das Gretchen auf youtube). Für Sylvie gehört das Märchen erzählen auch in den Bereich aktiver Friedensarbeit, denn hier kann sich das Kind aktiv mit dem ,,Bösen“ auseinandersetzen, ein innerpsychischer Anteil, der in jedem Menschen zu finden ist und der aktiv integriert werden muss um sich nicht auf äußere Feindbilder, die uns heutzutage wieder an jeder Ecke angeboten werden, zu projizieren.

Die Stiftung Gewaltfreie Kindheit ist eine sehr unterstützenswerte Stiftung, die sich gegen Gewalt an Kindern in jedweder Form einsetzt. Auf der Internetseite kannst du eine kostenfreie Broschüre runterladen, die allerdings stellenweise nicht leicht zu lesen ist.

,,Gebt den Kindern Liebe, mehr Liebe und noch mehr Liebe, dann stellen sich die guten Manieren ganz von selbst ein.“ (Astrid Lindgren)

Hier die Internetseite der Stiftung gewaltfreie Kindheit:

Und hier das Interview mit Sylvie-Sophie Schindler:

Passend hierzu möchte ich auch ein Cover des Liedes ,,Sind so kleine Hände“ (ursprünglich von der Liedermacherin Bettina Wegner) der Band Berge mit dir teilen. Darin heißt es ganz passend zur heutigen Zeit am Schluss – ,,Leute ohne Rückgrat haben wir schon zu viel…“

Hab viel Freiheit, Mut und Liebe!

Der Seestern  

Als ein älterer Mann bei Sonnenuntergang den Strand entlang ging, sah er vor sich einen jungen Mann, der Seesterne aufhob und ins Meer warf. Nachdem er ihn eingeholt hatte, fragte er ihn, warum er das denn tue. Die Antwort war, dass die gestrandeten Seesterne sterben würden, wenn sie bis Sonnenaufgang dort liegen blieben.  

,,Aber der Strand ist viele Kilometer lang und tausende Seesterne liegen hier“, erwiderte der alte Mann. „Was macht es also für einen Unterschied, wenn Du Dich abmühst?“ Der junge Mann blickte auf den Seestern in seiner Hand und warf ihn in die Wellen. Dann meinte er: „Für diesen hier, für ihn macht es einen Unterschied!“  

(eine Geschichte von William Ashburn)

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